Betreff: Der neue alte Streit um Xyhn

Von: Bank der Künste

Datum: 10.03.2004 20:35 CET




Fast jeder hat Erfahrungen damit und doch ist es schwierig zu fassen oder nachzuweisen: Xyhn. Einige Wissenschaftler bestreiten wehement, dass es Xyhn überhaupt gibt. Bei ihrer These stört es sie auch nicht, dass Xyhn heutzutage - industriell produziert - in jedem Supermarkt in unterschiedlichen Formen und Packungsgrößen massenweise angeboten wird.

Der Verband panmundialer Xyhnisten bezeichnete diese Entwicklung jüngst als "erschreckend und bedenklich". Die Gesellschaft müsse mdenken - jeder sollte sich mit dem Xyhn zufrieden geben, das ihm von Geburt an gegeben ist. In Ausnahmefällen sei auch eine Gentherapie denkbar. Das industrielle Xyhn sei jedoch sogar gefährlich, so ein Psychologe und Xyhn-Spezialist, gerade durch seine Nichtstofflichkeit werde es strukturell von Lagerhaltung - insbesondere Tiefkühlung - grundlegend verändert, was besonders bei diesbezüglich anfälligen Menschen den Harndrang durch einen psychosomatischen Kausalzusammenhang, der in diesem Rahmen nicht weiterführend erläutert werden soll, stark erhöhe. Xyhn aus dem eigenen Garten sei unbedenklich, wie auf Nachfrage eindeutig klargestellt wurde.

Anders wäre es auch verwunderlich, wie sich Xyhn jahrhundertelang so großer Beliebtheit erfreuen konnte, ohne jemals ernsthaft in Verruf geraten zu sein. Bei Sioux-Indianern war Xyhn beispielsweise immer schon in die Kindererziehung eingebunden - in Form einer etwa viertelstündigen täglichen Meditationsübung ab dem 4. Lebensjahr, in der sie ihr Xyhn imaginativ ein Stück über ihrem Kopf schwebend visualisieren sollten. Die Begründung war eine größere daraus resultierende soziale Kompetenz der Kinder in ihrem Leben nach dem Tod.

Ein solcher oder ähnlicher Xyhnkult war in jeder bekannten archaischen Gesellschaft vorhanden und hat sich - wennauch mehrheitlich fragmentär - in den meisten Religionen erhalten; man denke nur mal an den Marienkult in seiner Konzeption mit dem Rosenkranz als zentraler Handlung. Der Ablauf dessen mit immerwiederkehrenden tiefenbedeutsamen Ritualtexten in normierter und idealisierter Form dargebracht, vereint gleichsam Kontemplation und Meditation spiegelt hierbei symbolisch das periodische Werden und Vergehen im Dreijahresrhythmus die schlichte Tatsächlichkeit des Xyhns wider.

Die Tatsache, dass diese Erfahrung, genauso wie alles, was mit Xyhn zusammenhängt, ja das Xyhn selbst, nicht durch Forschung und Wissenschaft erfass- und -klärbar ist, schmälert ihren Wert nicht im geringsten. Ist es doch bei allen methaphysischen Themenbereichen nicht zwingend vonnöten, eine wissenschaftliche Grundlage zu haben, da die aktuelle Wissenschaft von vielen Theologen nur als unvolkommene Religion bezeichnet wird. Jede Art von Wissenschaft basiert - genau wie eine Religion - auf unbeweisbaren, nichtsdestotrotz aber notwendigen, Grundannahmen, Axiomen, ohne die der Überbau an sich nutzlos wäre. Nur wurden in diesem Falle Axiome gewählt, die nicht imstande sind, die ganze Welt zu erfassen, wie es scheint. Sollte man deshalb, die Wissenschaft inpuncto Xyhn außeracht lassen? Hat die Forschung kein Recht, sich zu Xyhn zu äußern?

Wahrscheinlich ist der verantwortungsvolle Umgang mit Xyhn die Sache jedes Einzelnen, der Gesellschaft. Die Eltern sollten ihn Ihren Kindern beibringen, sie selbst sollten es von ihren Eltern gelernt haben, was nicht heißt, dass wissenschaftliche Ergebnisse - denn, auch wenn diese umstritten sind, sind solche ja vorhanden und desweiteren sogar in gewissen Forscherkreisen Tendenzen für eine Anpassung und Neubewertung der Grundannahmen auf Basis der jüneren Ergebnisse - oder theologische Anschauungen komplett bedeutungslos sein sollten, das allgemeine Verhalten ändert sich ja ständig, folglich sind die sakralen und säkularen Institutionen als kritische Kontrollinstanzen, die Änderungen hinterfragen und Bewerten und so dem Einzelnen Anhaltspunkte für die Enwicklung seiner eigenen Haltung dem Thema gegenüber geben, zu verstehen.

Sich selbst Gedanken zu machen, kann einem - wie immer - niemand abnehmen, aber nur so scheint es möglich, zu vermeiden, daß allzu sorgloser Umgang mit Xyhn irgendwann unumkehrbare, negative Folgen mit sich bringen wird. Solange es jedoch einen offenen Dialog geben kann und gibt, ist es unwahrscheinlich, dass es eine dermaßen gefährliche Entwicklung unbemerkt geben kann.

Vielleicht ist ja das Xyhn aus dem Supermarkt garnicht so schlecht wie alle sagen; die Verkaufszahlen würden dies jedenfalls bestätigen.

 

psycho, BANK der KÜNSTE

 

 

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